Herferswil einst und jetzt

Karline Schneebeli, Herferswil (1855-1940)

Da ich nun 82 Jahre in diesem Dörfchen gelebt habe und mir gottlob der Verstand geblieben ist, so kommt mir eine Sehnsucht nach den damaligen Zeiten. Nicht, dass ich es besser hatte als heute, aber die Leute waren trotz ihrer Armut zufriedener und fröhlicher, sie konnten alle noch lachen und singen. Das kam wahrscheinlich daher, dass alle fast gleich arm oder reich waren. Damals hatten die Leute keine so grossen Ausgaben für Steuern, Bahn, Auto, Sport, Velo und andere kostbaren Vergnügen. Besonders für die Jugend wurde nicht so viel geopfert. Da gab es keine so schönen Kleider. Bei vielen Kindern hing der Sonntagsrock am Werktagsrock, nur musste er am Samstag gewaschen werden, aber eben es hatten es fast alle gleich.

Nun will ich noch berichten aus was die damalige Bevölkerung bestand, nämlich aus 32 Seidenweberinnen bzw. Winderinnen sowie zwei Leinenweber. Im Buchstock war damals ein Tuchladen, da kamen die Käufer von weit her. Es gab noch einen Rechen und Gabelmacher mit einem grossen Kundenkreis. Im Hause von Herrn Blickensdorfer (jetzt Tobler) arbeitete ein Glaser mit zwei Söhnen. Es waren noch zwei Zimmermannen und ein Schreiner. Auch waren drei Küfer. Schiffer war ein Meister für grosse Fässer. Küfer Bär, Tansen und Kübelwaren.

Damals fuhr noch keine Eisenbahn vom Amt nach Zürich, darum hatten sie einen grossen Zweiräderkarren, auf diesem transportierten sie jede Woche ein grosses Fuder solcher Kübelwaren über den Albis nach Zürich. Nur wenn das Wetter ganz schlecht war spannten sie eine Kuh vor bis auf den Albis. Der dritte Küfer hiess Münch. Mein Vater und drei Brüder betrie­ben das Schneiderhandwerk. Auch hatten wir einen Metzger und in der Sennhütte wurde gekäst.

In der Hübschem wurde Getreide gemahlen und Bäckerei im Grossen betrieben. Dann war dazumal noch die Säge und eine Wärchreibe für Hanf und Flachs.

In den 60 er Jahren wurden noch Seidenraupen gezüchtet, was dann wegen dem rauen Klima nicht rentierte. Fast hätte ich noch den Schuster vergessen, den man damals nicht entbehren konnte, weil es noch keine Schuhläden gab.

Noch ein Wunder muss ich erzählen. Das jetzige Schulhaus wurde Ende der 1850er Jahre gebaut, die Barauslagen waren ca.7000 Fr., natürlich musste Fronarbeit geleistet werden. Vor etwa 15 Jahren hat die Reparatur das fünffache gekostet.

Noch zu erwähnen ist, dass Herferswil einen Männerchor hatte, welcher an Gesangsfesten mitsang und nicht zu den letzten gehörte betreff Leistung. Auch wurde nach Gesangstunde vielfach noch im Freien gesungen, was Jung und Alt erfreute. Heute hört man keinen Ton mehr singen ausser in Konzerten.

Aktualisiert: 09.12.13/Hinnen 

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